Das große kulturelle
Erbe der Daoisten überliefert uns die Lehre vom Dao. Damit eng verbunden ist
die Lehre von Qi mit seinen Gesetzmäßigkeiten. Dieses alles durchdringende
Energiepotenzial ist die treibende Kraft des Dao.
Vom unendlichen
Kosmos bis hin zu den kaum vorstellbaren kleinsten Teilchen kann nichts ohne Qi
existieren.
Alles Leben auf
unserem Planeten bedarf des Vorhandenseins und der Funktion dieser Naturkraft.
„Der Mensch ist im
Qi, das Qi ist im Menschen“, sagten die alten Daoisten.
„Schmerz ist der
Schrei des Körpers nach fließendem Qi“, lehrt die „Traditionelle Chinesische
Medizin“.
„KörperGeistSeele“
bilden eine untrennbare Einheit.
Unser körperliches,
mentales und seelisches Wohlbefinden hängt unmittelbar vom Vorhandensein dieser
Vitalkraft ab.
Jede geistige
Anspannung, jede Emotion, alle Gefühle und seelische Schmerzen drücken sich im
Körper aus und „vice versa“ beeinflussen unsere Körperempfindungen den
geistig/seelischen Bereich.
Aus dieser
Erkenntnis heraus entwickelten die Daoisten Methoden, um Krankheiten vorzubeugen
und sie zu behandeln.
Zur Pflege, zum
Nähren und Vermehren von Qi wurde schon in der Zeit des sagenumwobenen Gelben
Kaisers die Methode des Dao Yin (seit etwa 1950 Qi Gong genannt) entwickelt und
die Körperübungen der Kultivierung der Seele (Körperseele Po und Geistseele
Hun) und der Stärkung der Mentalkraft gleichgesetzt.
Essenz dieser
Übungen war die Regulierung von Geist, Atem und Körper zum Zwecke der Förderung
der Langlebigkeit und Gesundheit.
Die Teilaspekte
dieser feinstofflichen Energie Qi, die „drei Schätze“ Jing (Essenz), Qi
(Aktivitätspotential) und Shen (Bewusstes und Unbewusstes) wurden in diesem
Blog ausführlich beschrieben.
Durch das Wirken von
Zhang San Feng in den Bergen von Wudang
entstand die daoistische Wudangschule, auch "Innere Schule" genannt, die
im Gegensatz zur „Äusseren Schule“ der Shaolin
einen völlig neuen Kampfstil hervorbrachte, den „Inneren Stil der
Kampfkunst“.
In der daoistischen
Wudangschule entstand nach den Ideen, Visionen und Träumen von Zhang San Feng
der „Innere Stil“
Durch die Schöpfung
von „Tai Ji Quan“ als „Mutter der zehntausend Kampfkünste“ waren die Daoisten
in der Lage, ihre „Inneren Energien“ Jing, Qi und Shen in einem bis dahin
unbekanntem Ausmass zu entwickeln und sich
auf diesem „Weg“ der Kultivierung des Dao zu widmen.
Am Anfang dieser
Übungspraxis steht das Erlernen und die Koordination körperlicher Bewegungen. Dabei wird versucht, sich in den
Übungen zu entspannen, loszulassen, sich mit Ruhe und Natürlichkeit, weich,
aber mit innerer Kraft und Lebendigkeit zu bewegen und die Einheit zwischen
Himmel, Mensch und Erde, genauso wie zwischen Atem, Körper und Geist und Innen
und Außen herzustellen.
Diesen Zustand
entspannter Harmonie, bei dem die Gedanken vor dem Üben abgelegt werden wie
alle Gegenstände und Habseligkeiten, die zum Üben nicht gebraucht werden, nennt
man „Fangsong“.
Nur im Zustand des
„Fangsong“ ist es möglich, das „Innere
Qi“ „Nei Qi“ auszubilden.
„Fangsong“ lässt sich nicht mit dem Willen herbeiführen und auch
nicht durch Belehrungen übermitteln.
Einfach geduldig üben und warten, bis „es“ geschieht.
„Fangsong“ ist der Zustand von losgelöster Gelassenheit und
innerer Harmonie, ein Zustand der Heiterkeit und doch von unglaublicher
Wachheit und geistiger Frische.
Einige Inneren
Übungen „Nei Gong“ der daoistischen Wudangschule zur Kultivierung des
„Fangsong“ und des „Nei Qi“ wurden in diesem Blog ausführlich beschrieben:
Die „Stehende Säule“
„Zhan Zhuang“, das „Leiten und Führen der Aufmerksamkeit“ „Yishi Daoyin“ (Qi durch
Yi Lenken),
dazu auch das Üben
der „Zhoutian“, des „Kleinen und Großen Himmlischen Kreislaufs“.
In der Tradition
der daoistischen Wudangschule steht die „Übung des Dant’ian“ im Mittelpunkt
aller Übungen.
Die drei
wichtigsten Hauptenergiezentren „Dant’ian“ sind:
Das
Obere Dant’ian „Shang Dant’ian“ im Kopf als Speicher des Geistes „Shen“.
Das
Mittlere Dant’ian „Zhong Dant’ian“ in der Brust als Kammer des „Qi“
Und das
Untere Dant’ian „Xia Dant’ian“ im Unterbauch als Energiezentrale und
Körpermittelpunkt, wo „Jing, Qi und Shen“ zusammenfließen und transformiert
werden.
In der
daoistischen Wudangschule liegt das Augenmerk der Übungen und Meditationen im
„Unteren Dant'ian“ „Xia Dant‘ian“, 4 Querfinger unter dem Nabel im Unterbauch.
Das „Xia
Dant'ian“ wird auch als das „Untere Feld des Elixiers“ oder als „Goldener Ofen“
bezeichnet. Das ist das Energiezentrum, in dem nach der tradierten Überzeugung
der Daoisten die Transmutationen von Qi, Jing und Shen durch alchemistische
Vorgänge erfolgen.
Der Übende richtet seine Aufmerksamkeit darauf, immerwährend sein
„Xia Dant'ian“ zu behüten wie seinen einzigen Schatz. Egal ob er geht, steht,
sitzt oder liegt, er richtet die Aufmerksamkeit immer auf das Dant’ian. Zitat
von Meister You Xuande.
Der gebündelte Geist wird auf dieses feinstoffliche Energiezentrum
im Unterbauch gerichtet und in der Vorstellung „YI“ wird der Atem beim Einatmen
dorthin gelenkt.
Das nennt man das Feuer in den goldenen Ofen (Xia Dant’ian)
bringen. In der klassischen Zeit strebte man damit an, Unsterblichkeit zu erlangen.
Die gebündelte Aufmerksamkeit („Yi“) ist ein Teilaspekt von Geist
Shen und hat Yang – Qualität.
Die Bündelung von Aufmerksamkeit mit dem Atem gilt als „Yang“ und wird in der daoistischen Tradition als „Feuer“ bezeichnet.
Aufgrund der Gesetzmässigkeit, dass das Qi und seine Aspekte immer
dem Geist Shen und der Aufmerksamkeit „Yi“ folgt, führt das zu einer Ansammlung
von Qi im Xia Dant'ien. Darüber hinaus kommt es zu einer Ansammlung von Jing,
das von den Daoisten seit alters her als eigene Energie angesehen wird.
Jing gilt den Daoisten als eigenständige Manifestation des
Ursprungs Qi, also des Qi des früheren Himmels, das sich in der machtvollen Sexualenergie
manifestiert.
Qi und Jing sind die Brennstoffe im Goldenen Ofen „Dant'ien“, der
durch Erhitzen zum Überlaufen gebracht wird.
Dadurch
entsteht eine Manifestation von verfeinertem Qi, es entsteht "Reines
Yang".
"Reines
Yang" entsteht wie ein Destillat und hat immer die aufsteigende
Tendenz von Feuer, es muss nach oben lodern und aufsteigen.
Mit
ausdauerndem und geduldigem Üben wird dieses "Reine Yang" immer
stärker und kraftvoller.
Das Destillat „Reines Yang“ erreicht und durchdringt im Laufe der
Zeit das darüber liegende feinstoffliche Hauptenergiezentrum „Mittleres Dant’ian“ „Zhong Dant’ian“ mitten in der Brust, wo die
Transformation zum „Reinen Qi“ stattfindet.
Nach daoistischen Überlieferungen durchdringt das „Reine Yang“ aufgrund einer Art osmotischen Vorgangs den
körperlichen Bereich, wodurch Muskeln, Sehnen und Knochen strukturell verändert werden, wie man das nur
bei Meistern der „Inneren Kampfkunst“ finden kann. Muskeln und Sehnen werden
weich, elastisch und dehnbar wie die eines Kindes und die Knochen werden durch
knochenmarkähnlichen Ablagerungen härter als Stahl. (Beschrieben von Zheng
Manqing in seiner Schrift: „Es gibt keine Geheimnisse“)
Ich kann aus eigenem Erleben die unglaublichen Fähigkeiten von den
Meistern der daoistischen Wudangschule bestätigen.
Hat sich das
"Reine Yang" den Weg nach oben
in das Mittlere Dant'ian gebahnt, dann wird mit Fortdauer der Übungen
über Monate und Jahre das destillierte Qi, Jing und Shen, also das
"Reine Yang" , immer mehr verfeinert und es entsteht daraus "Reines
Qi".
Dieses „Reine
Qi“ steigt bei ausreichender Geduld und langjähriger Übung in das Obere Dant’ian
„Shang Dant'ien" im Kopfraum auf.
Dadurch wird
das „Reine Qi“ in das „WU JI“ in die große Leere zurückgeführt und wird zu „Reinem
Shen“ transformiert und es kommt zu Vereinigung mit dem Dao.
Das „WU JI“ ist
das Reich des "Reinen Geistes", das Reich der Leere, das Lao Tse als
das „Namenlose“ bezeichnet hat, weil es jenseits von allen Vorstellungen, jenseits
von Yin und Yang, jenseits von jeder Bedingtheit und Kausalität liegt.
Die „Dant’ian
Methode“ ist die langwierigste aller daoistischen Methoden. Alle Adepten der
daoistischen Wudangschule beschreiten diesen Weg.
Jedem steht
es frei, für sich zu entscheiden, wie
lange und wie weit er diesen Weg zu gehen bereit ist. Dieser Weg ist offen, ist
keine Einbahnstrasse und hat kein Ziel.
Das Glück
liegt am Rande des Weges, nicht am Ende der Strasse.
Viele daoistische
Eremiten haben ihr Leben der Kultivierung des Dao verschrieben und sind den Weg
des „Wahren Menschen“ gegangen.
©2013 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann