Freitag, 22. April 2011

Das „Vorgeburtliche Qi“ ist unser Schicksal

Qi wird nach seinen Quellen (Herkunft, Entstehung) in drei Arten eingeteilt:

1. Das „Ererbte Qi“,auch „vorgeburtliche Qi“ oder „Qi des früheren Himmels“ genannt:

Der Mensch erhält es bei seiner Zeugung.

2. Das Nahrungs Qi:

Das Qi aus der Nahrung wird durch unsere Verdauungsorgane gewonnen.

3. Das Kosmische Qi:

Das ist das „Qi vom Himmel und von der Erde“, das schon im gleichnamigen Post beschrieben wurde.

Um das umfassende Konzept von Qi treffend analysieren zu können, ist es notwendig, drei grundlegende Begriffe kurz zu definieren.

Es handelt sich um „Jing“, „Qi“ und „Shen“, von den „Klassikern“ auch die „Drei Schätze“ genannt, um ihre Bedeutung für die Konzeption des Qi zu betonen.

Seit „Klassischer Zeit“ erfolgt die Beschreibung des Qi als die „Drei Schätze“ nach der Konsistenz bzw. Fein-Stofflichkeit :

Die „Drei Schätze“: „Jing“ - „Qi“ - „Shen“:


Das „ Jing“:

Jing wird als Essenz bezeichnet, als Extrakt, der als die Wurzel des Lebens angesehen wird. Als Möglichkeit, etwas Materielles entstehen zu lassen. „Jing“ ermöglicht Wachstum, Reproduktion, Entwicklung, Konstitution und Fortpflanzung. Das „Jing“ vor der Geburt wird "Xian Tian Zhi Jing" genannt, sein aktiver Aspekt wird „Yuan Qi“ („vorgeburtlichen Qi“) genannt, das „Jing“ nach der Geburt,heißt nachgeburtliches „Jing Qi“ oder nur „Jing“

„Jing“ ist der „Grob-Stofflichste“ Qi Aspekt der drei Schätze und mit den sexuellen Flüssigkeiten eng verbunden. Als „Vorgeburtliches Jing“ ( als „Jing des früheren Himmels“), enthält es alle ererbten individuellen Wachstumsinformationen durch die Vereinigung des „Jing“ der Eltern bei der Zeugung.

Das "Qi"

Im Sinne der besonderen Bedeutung der „Drei Schätze“ ist „Qi“ die zielgerichtete Kraft für jegliches Leben und seinen Aktivitäten, wobei diese Qi-Kraft je nach Konstellation definiert ist.

„Jing Qi“ ist im Gegensatz zur zielgerichteten Kraft „Qi“ frei verfügbare Energie, stellt also ein Potential dar.


Das „Shen“:

„Shen“ hat die feinste Stofflichkeit aller „Drei Schätze“. „Shen“ ist die Substanz des Bewussten und des Unbewussten. „Shen“ steht für die Intelligenz, für das Formen von Gedanken und Ideen, für die analytischen Fähigkeiten, aber auch für die Emotionen. „Shen“ könnte in unserer Terminologie auch als geistige Fähigkeiten und Psyche beschrieben werden. „Shen“ ist „schöpferisches Qi“ und Lebenswille.

Fassen wir zusammen:

„Shen“ steuert alle im „Jing“ angelegten Möglichkeiten der Verwirklichung, „Qi“ stellt dafür die Energie zur Verfügung.

Die Beschreibung und die Bedeutung des Vorgeburtlichen Qi:

Das „vorgeburtliche Qi“ nennen die Daoisten seit Alters her das „Qi des früheren Himmels“ oder "Xian Tian Zhi Jing", „Yuan Jing“ oder "Yuan Qi" und es entwickelten sich einige Theorien, u.a.wie klein oder wie groß der Unterschied wäre zwischen diesen Begriffen „Yuan Qi“ und „Yuan Jing“. „Yuan Qi“ wäre im Gegensatz zu „Yuan Jing“, gleich dem Urzustand „Wuji“ noch ohne Unterscheidung von Yin und Yang, und daraus würde das „Yuan Jing“ mit Yin Qualität entstehen, die Gegenmeinung sagt, "Qi" entsteht aus "Jing", also entsteht "Yuan Qi" aus "Yuan Jing" usw...

Überlegungen dieser Art sind für den Qi Gong Übenden in der Praxis bedeutungslos und nur für tiefere Einblicke in die Traditionelle Chinesische Medizin interessant. Bleiben wir einfach bei dem Begriff „Yuan Qi“ für das aktive vorgeburtliche Qi. "Yuan Qi" ist auf jeden Fall der aktive Aspekt des "Xian Tian Zhi Jing", also der angeborenen Möglichkeiten. Die minimalen Unterschiede kristallisieren sich mit der Beschäftigung von selbst heraus, sind aber für die Praxis des Qi Gong unerheblich.

Warum „vorgeburtlich“, was ist damit gemeint?

Es handelt sich ausschließlich um das ererbte Qi im Körper des Embryos und Fötus. Da das nachgeburtliche Qi erst nach der Geburt entstehen kann, beantwortet sich diese Frage von selbst.

Alles beginnt in der Zeit, wo Vater und Mutter sich vereinigen und der männliche Samen (das „Jing“ des Vaters) die weibliche Eizelle (das „Jing“ der Mutter) befruchtet, genau in diesem Augenblick verbindet sich das „kosmische Shen“ (das „Shen des Himmels“), mit dem „Jing“ des Erzeugers.
Das „Shen des Himmels“ und „Jing“ des Vaters verbinden sich zu „Jing Shen“ , zum individuellen Geist, zur Psyche des werdenden Menschen.

Aus dem „Jing“ der Mutter und „Jing Shen“ des Vaters entsteht das "Vorgeburtliche Jing" und der aktive Aspekt, unser „Yuan Qi“ und beginnt mit der Entwicklung des Embryos.

Im „Yuan Qi“ ist das gesamte Aktivitätspotential für das entstehende künftige Leben angelegt. Es enthält alle Möglichkeiten für Charakter und Konstitution, das Potential des künftigen Lebens und des Wachstums ab dem Augenblick der Befruchtung.

Das „Yuan Qi“ lässt die acht (8) Gefäße oder „Wunder Meridiane“ entstehen. Die liegende Zahl 8 ist das mathematische Symbol der Unendlichkeit, im I Ging, dem Buch Wandlung, beschreiben die acht (8) Trigramme den ewigen Wandel und für Buddhisten ist das Karma, Geburten und Wiedergeburten hier im Entstehen des Yuan Qi angelegt

Die acht Gefäße dienen gleich acht großen Flüssen dem „Yuan Qi“ und erlauben damit die Gestaltung des Embryo. Über sie kann dann das „Yuan Qi“ die differenzierten Feinstrukturen des Embryos aufbauen. Der Embryo erhält über die Nabelschnur der Mutter die benötigten Substanzen und die Acht Gefäße tragen das „Yuan Qi“ zum Aufbau der Gesamtstrukturen dorthin, wo immer es benötigt wird.

Nach daoistischer Überlieferung manifestiert sich aus dem „Yuan Qi“ der „Chong Mai“ als „Zentralgefäß“ und Reservoir für die Vitalität zwischen „Du Mai“ als „Lenkergefäß“ („Meer der 6 Yang Organe“) und „Ren Mai“ als „Dienergefäß“ („Meer der 6 Yin Organe“). Der „Dai Mai“ als „Gürtelgefäß“ um die Taille gleicht die Energien der Organe in der Körpermitte aus.

Um die Bewegungen von Yin und Yang in allen Richtungen zu ermöglichen bildet „Yuan Qi“ dann die „Wei – und Qiao Mai Gefäße“, jeweils ein „Yin- und ein Yang Wei Mai“ und ein „Yin- und ein Yang Qiao Mai“. So entsteht eine dichtes Netz für die nach oben und außen gerichtete Bewegung und für den Ausgleich der Energien von aktivierendem und schützenden Yang und für den Ausgleich der Energien des nach innen und unten gerichteten ernährenden Yin.

Nach der Geburt nehmen die „acht Wundergefäße“ ihre Aktivitäten zurück und die Meridiane (auch Leitbahnen genannt) öffnen ihre Schleusen. Die Wundergefäße werden Speicherseen für Qi (überwiegend Yuan Qi und Jing) und Blut und werden immer aktiv, wenn Gefahr im Verzug ist.

Das „Yuan Qi“ wird im „Funktionskreis Nieren“ gespeichert. Das „Yuan Qi“ ist die Quelle und die Grundlage der 12 Meridiane (Energieleitbahnen) und der aktive Aspekt aller angeborenen Möglichkeiten. Er macht die Lebensspanne des Menschen aus. Die Verteilung des „Yuan Qi“ erfolgt durch den Meridian „Dreifachen Erwärmer“ („San Jiao“)

Die Wundergefäße treten als „Ultima Ratio“ immer dann auf den Plan, wenn das Leben ernsthaft gefährdet ist.

Wir können uns das ererbte Qi des früheren Himmels so vorstellen, wie ein Bankkonto, mit dem wir zur Welt kommen, das aber nicht aufgefüllt werden kann. Oder wie einen ererbten Qi Reservetank.

Immer dann, wenn wir durch unsere Lebensführung, etwa durch ständigen Stress, tägliche Überforderung oder Exzessen das Gleichgewicht von Yin und Yang empfindlich stören und das „nachgeburtliche Qi“ zu schwach oder zerstreut ist und die Balance nicht wieder herstellen kann, zapfen wir unseren Reservetank von „Yuan Qi“ an und verbrauchen dieses ererbte Qi. Da es nicht aufgefüllt werden kann, ist es für uns verloren und verkürzt unsere Lebensspanne!

Was können wir tun?

Die daoistische Philosophie beantwortet das so:

Durch die Verbindung von Bewegung, Atem und Konzentration des Geistes auf das untere Dant'ien wird der im Unterbauch befindliche, imaginäre „Goldene Ofen“ (unteres Dant'ien) angeworfen und die Substanzen in diesem Hauptenergiezentrum gereinigt und aus ihnen wird im Goldenen Ofen, der von „Yuan Qi“ (auch „Nieren Yang“ oder „Ming Men Feuer“ genannt) erhitzt wird , „Yang als reine Lebensenergie“ destilliert und über die 8 Meridiane in jede Körperzelle transportiert.

Das regelmäßige Üben dieser Methode hat sich als Mittel erwiesen, Langlebigkeit, Vitalität und geistige Frische in einem Maß zu erzeugen, wie es erstaunlich oft bei daoistischen Mönchen, aber nur in Ausnahmefällen bei Durchschnittsmenschen anzutreffen ist.


©2011 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen